Der Auftritt von ihr ist eine Zeitreise, die zugleich fasziniert und verwirrt.

     Eine betörende Frau steht auf der Bühne, mit blonder Art-Deco-Frisur in einem schwarzen, rückenfreien Kleid, das ihre Zerbrechlichkeit auf höchst erotische Weise unterstreicht, singt (hervorragend) übersetzte Texte von Alexander Vertinsky, einem der berühmtesten Dichter Russlands, mit einem Akzent, der unter die Haut geht.

     Fast träumerisch spielt sie mit Accessoirs und Kostümteilen, verwandelt sich, stellt dar, erinnert sich und (ver-) führt den Zuhörer in die Zeit des frühen 20.Jahrhunderts.

     Man begleitet mit ihr den Dichter durch Moskau, erfährt von seiner dramatischen Existenz, seinen exzessiven Gefühlen, ist mit ihm erschüttert von den Auswirkungen des ersten Weltkrieges. Man erlebt die russische Revolution, verzweifelt mit Vertinsky am Verbleib in der geliebten Heimat und w&aunl;hlt zusammen mit ihm das traurige, jahrzehntewährende Exil, von dem er erst 1943 zurückkehren darf.

     Die Authentizität des Vortrags ist fast erdrückend, hin- und hergerissen schwankt der Zuhörer zwischen der düsteren, oft exaltierten Stimmung des Dichters und der fragilen Sinnlichkeit der Sängerin, leidet mit ihr, mit ihm und wird unaufhaltsam weitergezogen auf der Zeitreise des Dichters durch sein dramatisches Schicksal.

     Fast ist man erleichtert am Ende des Konzerts, wenn das letzte Lied verklungen ist, möchte aufatmen nach soviel "russischer Seele", und dennoch zugleich erneut eintauchen in den tiefen See der Erinnerungen und Emotionen, begleitet von der außergewöhnlichen Künstlerin und ihrem Pianisten Vlad Kalina, dem kongenialen musikalischer Partner von Katja Douchine auf dieser biographischen Odyssee.

     Ein höchst emotionaler Abend, an dessen Ende man sich erstaunt im 21. Jahrhundert wiederfindet - einen Moment lang war man versunken in der Zeit des russischen Umbruchs, des europäischen Cabaretts und der großen Ideen des Futurismus.

Ingo Rasch
Kulturburo der Stadt Wuppertal